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Vegetarier sind Mörder (?)

Und ist die Gruppe noch so klein, sie schlagen sich die Schädel ein

März 2011

Einen Leserbrief, in dem die Übung einiger radikaler Tierrechtler, Vegetarier (der lakto/ovo-Richtung) Mörder zu nennen, als wenig hilfreich beklagt wurde, nahm unlängst die Redaktion der Zeitschrift anima zum Anlass, sich mit dem Thema eingehender zu befassen. Die Vierteljahresschrift anima - Zeitschrift für Tierrechte wird vom Arbeitskreis Tierrechte der Österreichischen Vegetarier Union herausgegeben.

Hier der anima-Artikel:

Mit der Anschuldigung ‚Vegetarier sind Mörder’ hat sich die anima schon oft befasst. Es ist eigentlich nichts Neues hinzuzufügen. Trotzdem greifen wir das Thema nochmals auf, weil immer noch der Slogan erscheint.

Zum Beispiel hatte vor kürzerem eine Tierschützerin in Luxemburg einen für alle Tierfreunde offenen Demonstrationsmarsch für Tierrechte veranstaltet. Voll Stolz berichtete dazu mit längerer Begründung ein anderer Tierrechtler unter dem Titel „Kuschelkurs mit Ovo-Lactos?“: Seine Gruppe sei mit Schildern „Vegetarier sind Mörder“ (nebst erklärenden Worten) mitmarschiert.

Vorerst zur Klarstellung eine Begriffsbestimmung: Unter Vegetariern oder -um nicht sexistisch anzustoßen- vegetarisch Lebenden versteht man seit gut einem Jahrhundert Menschen, die nichts vom toten Tier, vereinfacht gesagt kein Fleisch essen.

Das ist das entscheidende Kriterium, nicht die Frage, was und wie sie sonst noch, nur oder nicht essen oder trinken, Milch, Wein, Schokolade, Gekochtes, Rohes, abgefallene Früchte oder was immer. Vegetarisch ist ein Sammelbegriff, unter den all die Unterarten wie Rohköstler, Frutarier, Waerlandisten, Sonnenköstler fallen und natürlich auch die Gruppe, die man früher strenge Vegetarier nannte und die jetzt unter der Bezeichnung Veganer firmieren. Daher zählen Veganer selbstverständlich auch zu den Vegetariern.

Den Begriff Vegetarier mit Lacto-und/oder Ovo-Vegetariern gleichzusetzen ist also schlicht Irreführung, beabsichtigt oder unbeabsichtigt. Nicht ‚Käse essen’ ist das Kriterium sondern ‚kein Fleisch essen’.

Die Begriffsbestimmung trifft natürlich nicht den Kern des Mörderthemas. Der Punkt ist: Wie viele Tiere müssen für unser aller Essen sterben?

Nehmen wir die Schlachtstatistik zur Grundlage, sind es in Österreich mehr als 90 Millionen Warmblüter, Fische dazugerechnet wenigstens 100 Millionen jährlich: Ca. 70 Millionen Mastgeflügel, gegen 10 Millionen Tiere mit vier Füßen (überwiegend Schweine, dann Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde, Kaninchen, Wild), ca. 7 Millionen Legehennen, ca. 7 Millionen männliche Küken (oder ca. 3,5 Millionen, falls man sie nur halb rechnet; vergleichsweise: abgetriebene menschliche Föten rechnet man auch nicht zu den Morden), aber nur eine halbe Million Milchkühe oder Kälber. Das heißt grob gerechnet (mit einer gewissen Streuungsbreite, Legehennen und Milchrinder können teilweise auch dem Fleischkonsum zugeordnet werden): durch Verzicht auf Fleisch lassen sich Tiertötungen in der Nahrungsproduktion um ca. 85 bis 90 % reduzieren, durch Verzicht auf Eier um zusätzlich etwa 15 oder 10 %; durch Verzicht auf Milch (selbst wenn man Laktovegetariern erhöhten Milchkonsum unterstellt) nur um ein weiteres Prozent.

Also vegane Vegetarier vermindern die Tötungen für Nahrungszwecke um 100 %, Lacto-Vegetarier um 99 %.

Allerdings – eine Berichtigung: selbst rein vegane Ernährung geht nicht ohne Töten. Auch Gemüse, Obst, Getreide für Menschen kostet vorhersehbar und unter den üblichen Produktionsbedingungen unvermeidlich tierliches Leben. Nicht umsonst meiden die Jainas den Beruf des Bauern. Moderne Landmaschinen und selbst die gute alte Sense, Mähen, Pflügen, Bekämpfung sogenannter Schadtiere, Chemikalieneinsatz, Vorräteschutz .... alles hat seinen Preis, zahlbar in Tierleben, sehr vorsichtig geschätzt: ca. eine Million Säugetiere und Vögel.

Also lautet die berichtigte grobe Erfolgsrechnung: etwa 99 % Tötungsminderung für vegane und (unter Berücksichtigung der Kosten der Rinderfütterung) 97 oder 98 % für Lacto-Vegetarier.

Zählen wir auch andere Tiere, namentlich (dem veganen Honigverbot folgend) Insekten dazu, ergäbe dies beim üblichen intensiven Chemikalieneinsatz und beim brutalen Bieneneinsatz in Großplantagen ein erheblich schlechteres Ergebnis für die veganen und auch die übrigen Vegetarier.

Mit anderen Worten: Auch die Mörderrufer finden sich als Kollegen im Kreis der Mörder.

Der hohe Preis, den die Tiere außer fürs Essen uns Menschen, ob vegan oder nicht, für unsere geliebte Zivilisation überhaupt zahlen müssen, ist da noch nicht inbegriffen: schnelle Verkehrsmittel, gläserne Fensterfronten, asphaltierte Straßen, die uns die Schuhe rein halten, doch Millionen Regenwürmern, Schnecken Tod bringen, usw. usw.

So wird die von einigen Veganern lauthals verkündete scharfe Trennung der Welt in a) Fleischesser und Lacto-Vegetarier und b) Veganer nicht nur praktisch abwegig, sondern auch philosophisch anfechtbar. Ihre Trennung der Menschheit a) in Leute, die 0 bis 97 und b) in Leute, die 99 Leben retten, ähnelt sehr der alten anthropozentrischen Einteilung der Welt in a) Menschen und getrennt durch eine große Kluft b) Menschenaffen, Läuse und sonstiges Getier.

Der langen Rede kurze Sinn, wir können uns eingebettet in diese Welt dem Ideal nähern, erreichen können wir es nicht. Nicht einmal der Eremit, der von den Früchten der Wildnis lebt: wenn er eine Himbeere pflückt, in der eine Made lebt.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Hochachtung jedem, der Milch und Ei meidet. Noch mehr Hochachtung, wenn er nicht nur Hühnergefängnisse verurteilt, sondern daraus „abgetane“ Hennen vor dem Tod rettet und in seinem Garten einen friedlichen Lebensabend beschert, mag er deren Eier essen oder nicht.

Doch bei all den Meinungsverschiedenheiten sollte eines nicht vergessen werden: Warum wird jemand Vegetarier, ob streng ob moderat? Von gesundheitlichen, ökonomischen etc. Gründen abgesehen doch wohl, um Tieren Leid zu ersparen. Es ist eine Leiter mit vielen Sprossen, die nicht gerade ins Himmelreich, doch in Richtung weniger Tierqual führt.

Nach eineinhalb Jahrhunderten organisierter vegetarischer Bemühungen milder und auch strenger Art haben gerade (statistische Zahlen 2006/7) zwei von tausend Bewohner unseres Landes als Veganer die 99. Sprosse erklommen; ein, zwei Stufen drunter stehen ein paar Laktovegetarier, noch ein bisschen tiefer etliche Ovo/Lakto-Vegetarier, auf halber Höhe eine große Gruppe, die den Fleischkonsum erheblich eingeschränkt hat, noch viele mehr aber ganz unten ohne die geringste Absicht hinaufzuklettern.

Wenn die zwei obersten denen ein paar Sprossen darunter zusprechen, weiter zu klettern, ist das gut und hilfreich. Doch wenn sie hinunterschreien: Alle ob weit oben oder unten, die nicht auf unserer Stufe stehen, sind miese Verbrecher! Ist das eine gute Motivation hinaufzusteigen?

Zurück zur Luxemburger Demonstration für die Tiere: Da marschiert ein kleines Häuflein mit Tafeln „Vegetarier sind Mörder“ durch die große Menge der Fleischesser. Werden diese jetzt in Scharen auf Milch und Eier verzichten und vor allem einmal dem Fleisch entsagen? Wir fürchten, sie werden sich zufrieden und ohne Gewissensbisse zum Sonntagsbraten setzen und allenfalls sinnieren: die Tierrechtler ... die sind wohl abseits gestanden, als der liebe Gott die Gabe des Intellekts verteilte.

Es ist hier nicht der Platz, um den alten Streit zwischen Abolitionisten und Reformern ausführlich zu behandeln. Nur so viel: „Wer Tieren helfen will", meint Gotthard M. Teutsch im 'Lexikon der Tierschutzethik', "darf durchaus ein radikales oder gar utopisches Ziel haben ... aber er kann die Annäherung nur in Einzelschritten erreichen, und wenn er sich dabei zuviel vornimmt, programmiert er nur die eigene Enttäuschung. Im Gegensatz zum theoretischen Ethiker muss der praktische Tierschützer immer wieder auf Kompromisse eingehen, weil der Alles-oder-Nichts-Grundsatz besonders im Tierschutz immer nur zum ‚Nichts’ und niemals zum ‚Alles’ führt.“

anima-Redaktion


Quelle: Vierteljahresschrift der ÖVU - Nr.1/2011
Autor: anima-Redaktion

Link: Oesterreichische Vegetarier Union
Link: Pressemitteilung der Kansas State Universität - Englisch
Link: Prominente Vegetarier – Fleischlos glücklich
Link: USA: Medienberichte über Tierschutzprobleme dämpfen Fleischnachfrage
Link: Vegetarier – Wie weit sind wir das überhaupt?

Date: Mo. 11. April 2011

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