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Norm Phelps: Einbahnstrassenaktivismus: Tiere zahlen den Preis

Norm Phelps 'Die industrielle Tierzucht stellt die intensivste Grausamkeit dar, zu der die menschliche Rasse fähig ist'

April 2009

Eine schrille und manchmal einschüchternde Clique versucht, die Kontrolle über die Tierrechtsbewegung zu erlangen. (Es ist mir klar, dass diese Aussage übertrieben scheinen mag für jemand, der die Auseinandersetzung nicht verfolgt hat. Schön wärs, jedoch zeigt sogar schon eine flüchtige Durchsicht von Artikeln und Reden eine Rechthaberei und Intoleranz gegenüber abweichenden Meinungen, die man normalerweise bei gewissen Formen des religiösem Fundamentalismus findet). Sie nennen sich selbst "Abolitionisten" (mit dem Ziel der Abschaffung/Abolition jeglicher Tiernutzung), "Tierschützer" dagegen sind diejenigen, die anderer Meinung sind.

Obwohl ich den guten Willen von vielen nicht bezweifele, finde ich die Bezeichnung "Einbahnstrassenaktivisten" passender, denn sie bestehen darauf, dass es nur eine einzige gültige Tierrechtskampagne gibt, nämlich ihre, und dass jeder, der andere Taktiken anwendet, keinen legitimen Platz in der Tierrechtsbewegung hat.

Im einzelnen behaupten sie, dass Kampagnen für den stufenweisen Abbau von Grausamkeiten - wie die Aufgabe von Batteriekäfigen oder Kastenständen für Sauen - letztlich den Tieren schaden und von Tierrechtlern zu verurteilen sind. Mit einer unbewussten Verbeugung vor George Orwell fordern sie tatsächlich, auf Tierhaltungsverbesserungen zielende Versuche zu unterlassen.

Das Argument der Einbahnstrassenaktivisten besteht aus zwei Elementen: Erstens wird unterstellt, dass die Kampagnen für Tierleidverringerung die Akzeptanz von Zucht und Töten der Tiere für den menschlichen Konsum beinhalten, so lange dies ‘human’ geschieht. Also, so wird behauptet, untergraben die "Tierschützer" die Bestrebungen der "Abolitionisten" und erleichtern es dadurch den Konsumenten, Tierprodukte mit gutem Gewissen zu essen.

Ihr zweites Argument ist, dass Kampagnen für Reformen der schlimmsten Auswüchse in der industriellen Tierzucht tatsächlich den legalen Status von Tieren als Objekte zementieren, weil dieser nicht direkt bekämpft wird.

Wenn man dieser Denkweise folgt, ist jede Kampagne kontraproduktiv, die sich nicht ausdrücklich auf diese rechtliche Grundlage konzentriert, denn die Ausbeutung der Tiere basiert schliesslich vollständig auf dem Besitzstatus.

Obgleich einige Aktivisten, die gleichermassen für Abolition und Tierschutz arbeiten, das ‘‘Animal Welfare Label" (Tierschutzlabel) akzeptieren – mit der Behauptung, dass die meisten Amerikaner ohnehin nicht unterscheiden zwischen dem Label und anderen Arten von Tierschutz – finde ich es anstössig.

Für viele Aktivisten steht "Tierschutz" für die Überzeugung, dass Tiergefangenschaft, Sklaverei und Gemetzel ethisch akzeptabel ist, so lange den Tieren das Leid erspart wird, das im Zusammenhang mit deren Nutzung vermeidbar ist.

Es ist also offensichtlich, weshalb der Ausdruck "Tierschützer" Kritik in der Tierrechtsbewegung hervorruft. Genau in diesem Zusammenhang prägte Gary Francione im Jahr 1996 den Begriff "neuer Tierschützer". Trotzdem ist es irreführend, polarisierend und destruktiv, das "Tierschutz"-Label allen Aktivisten zu verpassen, denn schliesslich werden auch in diesem Personenkreis die Tiere keinesfalls als bestimmt "für den Verzehr, als Bekleidung, für Experimente oder für unsere Unterhaltung" betrachtet. Das ist so, als bezeichnete man progressive Demokraten als "Kommunisten" oder konservative Republikaner als "Faschisten", um sie so vom politischen Dialog auszuschliessen. Wenn diese Bewegung, die für die Tiere die einzige Hoffnung darstellt, geteilt und geschwächt wird, werden es die Tiere sein, die die qualvollen und tödlichen Konsequenzen zu erdulden haben.

Ganz sicher ist jeder an dieser Auseinandersetzung Beteiligte damit einverstanden, dass die Abschaffung der Tierausbeutung die einzige moralisch akzeptable Grundlage für unsere Beziehung zu nichtmenschlichen Tieren ist, und die Abolition das einzig legitime, langfristige Ziel für Tierrechtler. Und ich bin auch überzeugt von der allgemeinen Übereinstimmung darüber, dass das Anstreben des Veganismus der Strategiekern für das Erreichen dieses Ziels ist.

Ich selbst bin seit mehr als zwanzig Jahren Veganer. In meinen Buechern befürworte ich klar und direkt ("scharf" nach Ansicht eines fleischessenden Rezensenten) den Abolitionismus und Veganismus. Ich ermutige auch andere auf diesem Weg. Mein Protest bezieht sich ausschließlich auf die Behauptung, dass auf Leidverringerung zielende Kampagnen selbst dann unangebracht sind, wenn gleichzeitig Abolition und Veganismus gefordert werden.

Ich glaube, dass es mindestens fünf ausgezeichnete Gründe gibt, mit denen Tierrechtler die Argumente der Einbahnstrassenaktivisten zurückweisen und gleichzeitig für beides, nämlich für Abolitism und Reform, arbeiten können – oder zumindest sich nicht den Reformbemühungen widersetzen.


Die Fenster der Folterkammern aufstossen


Zunächst bewirken die Kampagnen zur Verringerung des schlimmsten Tierleids in Tierfabriken, dass die Öffentlichkeit Tiere als fühlende und leidensfähige Kreaturen anerkennt, deren Wohlergehen eine Frage von wichtigem moralischen Interesse ist. Dies kann der Befreiung nur förderlich sein, und sie nicht aufhalten.

"Aus den Augen, aus dem Sinn", sagt man. In diesem Zusammenhang hat Sir Paul McCartney festgestellt, dass, wenn Schlachthäuser Glaswände hätten, jeder Vegetarier sei.

Wie oft hat man uns gesagt: "Davon will ich nichts hören" und "Zeig mir diese Bilder nicht, sonst vergeht mir der Appetit!"

Kampagnen wie die gegen Batteriekäfige und Kastenstände zwingen aber die Menschen, sich die Horrorgeschichten anzuhören und das Gesicht des Leids zu betrachten, ob sie es wollen oder nicht.

So werden Fenster in die dicken Wände der Schlachthäuser und Intensivhaltungen geschlagen. Sie zeigen auch der Öffentlichkeit die Realität der Todescamps. Wenn auch diese Kampagnen keinen direkten Weg in eine vegane Welt ebnen, so verändern sie doch langsam aber sicher die allgemeine Einstellung zu Tieren und deren Not. Eine derart grundlegende Veränderung der öffentlichen Meinung stösst das Portal in eine vegane Gesellschaft auf.

Der kritische Punkt hier ist, dass die meisten Leute extrem belastbar sind gegen moralische Kritik an Dingen, die sie persönlich tun. Sie weisen sie schlicht zurück und lehnen jede weitere Diskussion ab. Sie müssen stufenweise vorangeführt werden, Schritt für Schritt.

Normalerweise setzen sich Menschen für Tiere ein wegen eines Unrechts, das ihr Rechtsempfinden zwar empört, aber von ihnen nicht zu verantworten ist, wie Pelztragen, Tierversuche, Hundekämpfe. Bei zunehmender Sensibilisierung werden sie dann Vegetarier oder Veganer.

PETA z.B. empfängt die meisten Anrufe wegen: 1) Haustieren; 2) Zirkustieren, 3) Tierversuchen und 4) Pelz. Gleichermassen verurteilen die meisten Menschen die schlimmsten Auswüchse von Grausamkeiten gegen Schlachttiere (für die sie sich anfangs noch nicht persönlich verantwortlich fühlen). Erst wenn sie gegen eine spezielle Form von Tiermisshandlung arbeiten, wie Batteriekäfige, setzt ein moralischer Automatismus ein (wir alle sehen uns gern als konsequent; moralische Inkonsequenz führt zu psychologischem Druck) und macht sie empfänglicher für den Veganismus.

Die Kampagnen mit dem Ziel von Reformen schliessen also Türen auf. Wenn sie dann offen sind, bringt der moralische Automatismus Menschen dazu, auch den nächsten Schritt zu tun.

Diese Tatsache wurde bestätigt durch die Erfahrungen von Koalitionen, die die Florida- und Arizona-Kampagnen gegen Kastenstände führten. Eine grosse Zahl von Tierschützern, die noch keine Vegetarier waren, wurde in jenen Kampagnen aktiv und hörte infolgedessen auf, Tiere zu essen. Ich kenne mindestens einen Aktivisten, der nun öffentlich gegen die sogenannten "Tierschutzkampagnen" wettert, obwohl er selbst erst Veganer wurde durch seine Mitwirkung bei einer Abstimmung gegen Kastenstände.

Also funktionieren zweigleisige Kampagnen zunächst durch Sensibilisierung, Inspiration und den aktiven Kampf gegen Grausamkeiten. Dadurch wird es den Beteiligten möglich, sich selbst als Personen zu sehen, denen das Leid der Tiere nicht gleichgültig ist, was sie aufgeschlossener macht für die vegane Idee.

Auf diese Weise – auch wenn an der Theorie klebende Aktivisten es paradox finden – bringen Reformbemühungen den praktischen Vorteil, das Konzept von Tieren als nur nahrungsmittelproduzierende Gebrauchsgüter infrage zu stellen und die Menschen zu einem veganen Lebensstil zu führen.


Die Produktionskosten hochtreiben


Eine weitere Konsequenz von Reformkampagnen ist, dass sie normalerweise die Kosten für Tierprodukte in die Höhe treiben, was die Fleischindustrie als einen potentiell ernsten Angriff auf ihren Profit ansieht.

Zum Beispiel warnt das berühmt-berüchtigte "Center for Consumer Freedom", eine bekannte Front der Tiermißbrauchsindustrie, dass die "HSUS Millionen für Programme investiert bei dem Versuch, die Fleisch- und Molkereiproduzenten wirtschaftlich zu verkrüppeln". Sie beziehen sich vor allem auf die Kampagnen gegen Batteriekäfige, Kastenstände und Kälberboxen.

Die kommerzielle Handelsgruppe "Animal Agriculture Alliance" macht die folgende düstere Vorhersage über die Kampagne gegen Batteriekäfige: “Obwohl durchschnittlich die nationalen Preise für 'free range' Eier um 56 Cents pro Dutzend im dritten Quartal von 2007 gestiegen sind und sie nun 84% mehr als normale Eier kosten, treiben Tierrechtsgruppen in Kalifornien eine Abstimmung voran, um die normale Eierproduktion in Kalifornien illegal zu machen. Die ‘Animal Agriculture Alliance’ ist der Überzeugung, dass die von der ‘Humane Society of the United States‘ angeführten Organisationen Tiere gefährden und eine günstige Proteinquelle für viele Menschen eliminieren werden.”

In der Oktober 2007 Ausgabe des "Egg Industry magazine" drückte Gene Gregory, Präsident der "United Egg Producers of Atlanta", die gleichen Bedenken aus.

In einem Artikel mit dem Titel "Wenn alle Eier käfigfrei wären, würde die Nachfrage fallen" wird Gregory wie folgt zitiert: “Bei einer völlig käfigfreien Eierproduktion würde die Nachfrage nach Eiern zurückgehen, weil viele Konsumenten es sich nicht leisten können, das Doppelte oder Dreifache für ihre Eier zu zahlen. Verbraucher haben eine Vorstellung über die Höhe der Eierpreise und halten sich zurück, wenn diese zu stark ansteigen.”

Wenn die Tiermißbrauchsindustrie die Reformkampagnen als ernsten Angriff auf ihre Gewinnmargen betrachtet, warum können einige Tierrechtsaktivisten es nicht?


Leid zählt


Die industrielle Tierzucht stellt die intensivste Grausamkeit dar, zu der die menschliche Rasse fähig ist. Sie steht für Konzentrationslager, in denen fühlende und empfindsame Wesen ihr allzu kurzes Leben ohne frische Luft, ohne Sonnenlicht, ohne Platz für Bewegung oder zum Ausstrecken von Beinen oder Flügeln und ohne artgerechtes Sozialleben verbringen müssen. Der Leidensdruck ist so enorm und ohne jede Linderung von der Geburt bis zum Tod, dass Geistesgestörtheit die normale Konsequenz des Vegetierens in dieser Umgebung ist. Die Seelen der ausgelieferten Tiere werden buchstäblich zermalmt von Schmerz und Entbehrung.

Der Horror des Lebens in der Intensivhaltung oder im Batteriekäfig ist grenzenlos. Er ist buchstäblich unbeschreiblich. Niemand kann nachempfinden, was es bedeutet, das ganze Leben bewegungsunfähig zu bleiben und nichts Sinnvolles oder Artgerechtes tun zu können. Ich kann mich einfach nicht damit abfinden, Milliarden hilfloser Tiere in dieser Hölle schmoren zu lassen wegen einer Utopie, die weder diese Tiere, noch deren Nachkommen oder viele nachfolgende Generationen je erleben werden.

Seit die HSUS ihre Batteriekampagne im Jahr 2005 startete, ist der Prozentsatz von Legehennen in Batterien von mehr als 98% bis ungefähr 95% gesunken, was jährlich eine wichtige und messbare Erleichterung für Millionen von Tieren bedeutet. Bis 2012 werden Kälberboxen vorwiegend der Vergangenheit angehören. (Amerikas grösster Kalbfleischproduzent, Strauss Veal, wird sie bis 2010 abschaffen.) Es gibt auch Anzeichen dafür, dass Kastenstände in den nächsten zehn Jahren verschwinden werden. Zu Beginn dieses Jahrzehnts konnte man sich einen solchen Fortschritt noch nicht vorstellen, und heute wird er schnell Realität, dank der sogenannten ‘Tierschutzkampagnen’.

Solche Änderungen treiben das Wohlergehen der Tiere voran und bringen uns einer mitfühlenden Gesellschaft näher, in der grundlegende Lebensbedingungen der Tiere ehrlich respektiert werden (was natürlich auch beinhaltet, dass niemand Tiere isst, sie als Kleidung nutzt, an ihnen Experimente macht oder sie auf andere Art für den menschliche Gebrauch verwendet).

Die Verurteilung derer, die in der Praxis für die Linderung von Leid hier und jetzt arbeiten, stellt den Triumph von Ideologie über Mitgefühl und gesundem Menschenverstand dar. Wenn wir schon nicht das Elend aller Gequälten in deren Lebensspanne beenden können, dann haben wir wenigstens die moralische Verpflichtungen, es soweit wie nur irgend möglich zu lindern.

Ein Freund von mir, der an einer Kampagne gegen Kälberboxen, Batteriekäfigen und Kastenständen in Kalifornien mitarbeitet, erzählte mir, dass eine kleine Gruppe von kalifornischen Aktivisten es ablehnt, die Initiative zu unterstützen oder Unterschriften zu sammeln, weil es sich um eine ‘Tierschutz’-Massnahme handelt.

Es wäre eine Tragödie von unbeschreiblichem Ausmass, wenn Millionen Tiere in kalifornischen Tierfabriken weiterhin in winzigen Käfigen vegetieren müssten, weil Tierrechtaktivisten ihnen nicht helfen wollen.

Leid zählt; ich kann mich nicht abwenden. Ich hoffe, dass Sie es auch nicht können.


Tiere brauchen jede nur erdenkliche Hilfe


Bei der Entwicklung einer Strategie für Tierrechte müssen wir auch die Entstehungsgeschichte betrachten. Wie bei allen Bewegungen für mehr Gerechtigkeit begann auch der Veganismus mit einem kleinen Kern engagierter Idealisten und hat sich seitdem ständig erweitert. Der Grundstein des Veganismus in den Vereinigten Staaten wurde im Jahr 1960 gelegt, als H. Jay Dinshah die amerikanische vegane Gesellschaft gründete. Die Bewegung erlebte einen weiteren Schub, als Rev. Andrew Linzey das Buch ‘Christianity and the Rights of Animals’ und Peter Singer ‘Animal Liberation: Die Befreiung der Tiere’ (in dem Buch wird zwar nicht ausdrücklich der Veganismus behandelt, trotzdem trieb es ihn voran wie kein anderes) veröffentlichten. Als dann die International Vegetarian Union ihren alle zwei Jahre stattfindende Kongress in Orono Maine veranstaltete, wurde die amerikanische vegane/vegetarische Bewegung weiter gestärkt.

Seit den achtziger Jahren erreichten PETAs vegane/vegetarische Botschaften eine ständig wachsende Bevölkerungsgruppe, Tom Regan publizierte ‘The Case for Animal Rights’ (mit einer veganen Aussage) und Victoria Moran veröffentlichte das bahnbrechende und einflussreiche Buch ‘Compassion: The Ultimate Ethic: An Exploration of Veganism’.

In den neunziger Jahren kamen die vegan/vegetarischen PETA Kampagnen in Fahrt, Alex Hershafts FARM konzentrierte sich ausschliesslich auf vegan/vegetarische Themen und die Öffentlichkeitsarbeit von Vegan erreichte neue Höhen.

Mit jedem Jahr wächst die vegane/vegetarische Bewegung in Umfang und Bedeutung und bringt eindrucksvolle Erfolge beim Verbreiten der veganen Idee im öffentlichen Leben, vor allem unter jungen Menschen. Es wird demonstriert, dass ein veganer Lebensstil einfach und bequem ist und keine persönlichen Opfer verlangt.

Wie schon oben gesagt, meine ich, dass solche Bemühungen der Kern der Tierrechtbewegung sind und sein müssen. Aber wir können nicht die Tatsache ausser acht lassen, dass neunundvierzig Jahre nach dem Anfang der veganen Bewegung und zweiunddreissig Jahre nach der Geburt der modernen Tierrechtsbewegung die Zahl der Schlachttiere in den Vereinigten Staaten weiterhin steigt.

Am 15. Oktober 2007 berichtete "USA Today" über eine Harris-Meinungsumfrage, nach der drei Prozent der amerikanischen Bevölkerung Vegetarier sind. Andere Untersuchungen in früheren Jahrzehnten ergaben Zahlen zwischen zwei und vier Prozent. Wenn auch ein klares Bild nicht möglich ist - weil einerseits die Fragen nicht immer korrekt formuliert sind und andererseits Leute sich als "Vegetarier" bezeichnen, obwohl sie Fisch oder gelegentlich Fleisch essen – so scheint es wahrscheinlich, dass die Zahl von Vegetariern und Veganern langsam zunimmt, vor allem im Studentenalter und bei jüngeren Jahrgängen.

Diese wachsende Sensibilisierung der Jugendlichen ist eine hoffnungsvolle Entwicklung. Obwohl also der Veganismus klar an Attraktivität gewinnt, ist es genauso offensichtlich, dass diese Tatsache die Tierfabriken und Schlachthäuser in der vorhersehbaren Zukunft nicht abschaffen wird.

Allerdings hat die Kampagne, die Einzelhändler zur Abkehr von Batterie-Eiern zu motivieren – die im Jahr 2005 gestartet wurde – schon das Leben von Millionen von Legehennen erleichtert dadurch, dass sie aus Batteriekäfigen befreit wurden. Diese Tiere werden weiterhin leiden und getötet werden, aber wenigstens können sie umhergehen, ihre Flügel ausbreiten und ihre Eier in Nester legen. Ein solches artgerechtes Verhalten war den Tieren in Legebatterien verwehrt.

Es gibt also die dringende Notwendigkeit für eine Vielzahl von gewaltlosen Taktiken, die zu mehr Wohlergehen der Tiere führen und auch zu deren Befreiung beitragen.

Durch Attacken auf diejenigen, die unseren Kampagnenspielraum erweitern, und durch das Untergraben der erfolgreichsten Taktiken, haben Einbahnstrassenaktivisten den gesunden Menschenverstand aufgegeben und sich blindem Glauben verschrieben. Ein solcher Ansatz zerstört die logische Aufeinanderfolge.

Statt zu sagen "Diese Strategie funktioniert, also ist sie richtig" wird behauptet "Diese Strategie ist ideologisch rein, daher bleiben wir dabei. Wenn wir sie weiterverfolgen, wird sie irgendwann funktionieren müssen."

In einem Artikel, der auf der Website der "Tribe of Heart" gepostet wurde, bezeichnen James LaVeck und Jenny Stein Tierschützer als "neocarns" (Neufleischies), eine Analogie zu "neocons", die unser Land und unsere Welt an den Rand der Vernichtung getrieben haben.

Trotz dieses bösartig-pfiffigen Wortspiels sind es die Einbahnstrassen-Aktivisten, die den Neokonservativen in ihrer Strategie am meisten ähneln. Die Beharrlichkeit der Neocons, dass wir im Irak gewinnen, wenn wir nur blind derselben gescheiterten Strategie folgen ("Stay the course"/"Weitermachen") ist identisch mit dem Festhalten der Abolitionisten an einer veganen Gesellschaft in absehbarer Zukunft bei konsequent weitergeführtem Einbahnaktivismus, auch wenn er bis heute die Anzahl der von Amerikanern verzehrten Tiere nicht reduzieren konnte.

Vernünftiger Tierschutz verlangt, dass wir kontinuierlich die Ergebnisse unserer Kampagnen prüfen und häufige Kurskorrekturen vornehmen, bis wir genau die richtige Erfolgsmischung herausgearbeitet haben. Wir können das Ziel ideologisch betrachten, aber die Mittel müssen pragmatisch ausgewählt werden. Die Anpassung der Mittel an ideologische Konzepte ist eine Formel für selbstgerechtes Versagen.


Einbahnstrassenaktivismus – er hört sich besser an, als er ist


Mark Twain sagte, dass "Richard Wagners Musik besser ist, als sie klingt." Einbahnstrassenaktivismus hört sich besser an, als er ist. Er scheint einfach, klar und theoretisch konsequent. Allerdings ist unsere Geschichte belastet durch eine Vielzahl von Beispielen des völligen Versagens eleganter Theorien, sobald diese sich an der Realität reiben mussten. Solche Theorien können auch leicht als Ausrede herhalten für edle Plattitüden und gleichzeitigem Ausweichen vor all den schwierigen, frustrierenden, klebrigen Hindernissen bei der Umsetzung unserer Ziele für bessere Lebensbedingungen der Tiere.

Zum Beispiel Harold Brown, dessen Rede bei FARMs Animal Rights Conference 2007 auf YouTube angesehen werden kann. In seinem Vortrag warb er für den Einbahnaktivismus und erklärte, dass Tierschutzkampagnen keinen Platz in der Tierrechtsbewegung haben, wobei er zweimal zugab, dass er "keine Antwort bieten kann". Und tatsächlich lieferte er auch keinen einzigen Vorschlag für konkreten Fortschritt, sondern nur die Aussage: "Ich bin sicher, dass wir Taktiken und Strategien erarbeiten können gegen die verschiedenen Aspekte der Tierausbeutung."

Das Entwerfen von Strategien und Taktiken, die auch in der Realität bestehen können, ist der schwierigste Teil der Tierrechtsbewegung. Es ist eine Unverschämtheit, eine so elementar wichtige Frage einfach arrogant vom Tisch zu wischen. Natürlich ist es bequem, sich als "den Mann mit der grossen Vision" zu bezeichnen (wie Brown über sich selbst sagte, und zwar gleich zweimal), gleichzeitig diejenigen zu kritisieren, die im Alltag hart für die Linderung des Tierleids arbeiten (vielleicht sind sie Menschen mit "kleiner Vision", denen die ethisch-bombastische "grosse Vision" fehlen?) und selbst gleichzeitig keinerlei Verantwortung für das Anbieten von Strategien und Taktiken zu übernehmen. (Schliesslich warnte Brown die Aktivisten, dass “wir Sorge tragen müssen, uns nicht in Kleinigkeiten zu verstricken.”)

Wie das Sprichwort sagt, liegt der Teufel im Detail. Die herablassende Nichtbeachtung einer Vorleistung, die letztlich den Boden bereitet für die Umsetzung "der grossen Vision" von realer Tierleidlinderung, ist alles andere als konstruktiv.

Die in Tierfabriken leidenden und sterbenden Tiere brauchen eine Strategie, die einen wirklichen Unterschied in ihrem Leben macht, und zwar in der allerkürzesten Zeit. Das erfordert ein zweiteiliges Vorgehen, bestehend aus dem veganen/abolitionistischen Ansatz und Reformkampagnen. Es gibt nicht nur den einen richtigen Weg, sondern der Fortschritt entsteht aus einer Kombination von den Taktiken, die die allerbesten Aussichten bieten für die ärmsten Opfer der Menschheit, jetzt und für zukünftige Generationen.

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Norm Phelps setzt sich seit zwanzig Jahren für Tierrechte ein und kooperiert mit verschiedenen Tierschutzorganisationen. Er ist der Autor von ‘The Dominion of Love: Animal Rights According to the Bible’, ‘The Great Compassion: Buddhism and Animal Rights’, und ‘The Longest Struggle: Animal Advocacy from Pythagoras to PETA’, veröffentlicht von Lantern Books.

Er vertritt in diesem Beitrag seine persönliche Meinung und bezieht sich nicht auf Strategien von Gruppen oder Organisationen.

Kontakt: n.phelps (at) myactv.net.


Source: Norm Phelps
Author: Übersetzung EVANA


Date: 2009-04-28